Akzeptanz durch themenorientierte Teilrevisionen
Das politische System der Schweiz gesteht sprachlich-kulturellen Minderheiten über ihren zahlenmässigen Anteil hinaus Mitsprache- und Entscheidungsrechte zu. Diese Strategie hat sich bewährt und verhindert gesellschaftlich-politische Zerreissproben.
Im Entwurf der Kantonsverfassung wird diesem Grundsatz nicht Rechnung getragen. So schwächen die Verteilung der Grossratssitze und die Erweiterung des Staatsrates mit nur einem garantierten Sitz das Oberwallis. Die Auswirkungen auf die während der Beratungen vielbeschworene kantonale Einheit sind kontraproduktiv. Aus diesem Grund würde die Verfassung trotz zahlreicher fortschrittlicher Elemente das fragile Gleichgewicht zwischen Ober- und Unterwallis ins Wanken bringen. Wir Verfassungsrätinnen und Verfassungsräte haben während der Debatten immer wieder auf diese Gefahr hingewiesen und für die Anliegen des deutschsprachigen Wallis gekämpft.
Übrigens: In der aktuellen Verfassung wurden im Verlauf der Zeit mehr als 140 Artikel geändert, hinzugefügt, ergänzt oder aufgehoben, um den gewandelten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen. Statt auf Biegen und Brechen eine neue Verfassung durchzusetzen, die von einem grossen Teil der Bevölkerung nicht mitgetragen wird, sind nach Themenbündeln strukturierte Teilrevisionen zielführender. Die notwendigen Anpassungen an Gegenwart und Zukunft können auf diesem Weg schrittweise im Einklang mit dem Kantonsbudget umgesetzt werden, was die Akzeptanz der Menschen steigern wird.
Ida Häfliger